- Ost-West-Konflikt: Die politischen Konzepte der USA
- Ost-West-Konflikt: Die politischen Konzepte der USAWenige Jahre nach Kriegsende war in den USA die Hoffnung auf eine stabile »neue Weltordnung« der Erkenntnis gewichen, dass die Sicherheit und die demokratischen Werte des Landes stärker bedroht waren als jemals zuvor. Man sah sich mit einem Gegner konfrontiert, der über Atombomben verfügte, und dessen Ideologie weltweit viele Menschen in ihren Bann zog. Fast unmerklich war die Allianz der Sieger zerbrochen und in einen Ost-West-Konflikt übergegangen, der — wie Korea bewies — jederzeit in einen neuen »heißen« Krieg ausarten konnte. Anders als nach 1918 gab es nun kein »Zurück zur Normalität« mehr, denn die amerikanische Wirtschaft war so sehr mit dem Rest der Welt verflochten, dass jede Ausweitung des kommunistischen Machtbereichs die Interessen der Nation unmittelbar berühren musste. Roosevelts Konzept der vier Weltpolizisten, die im Rahmen der UNO für Ordnung sorgen sollten, hatte sich als illusorisch erwiesen und die Hauptverantwortung für das Überleben der Demokratien in einer funktionsfähigen Weltwirtschaft lag deshalb bei den USA. Die Regierung Truman und der Kongress zogen die Konsequenzen aus dieser Situation, indem sie sich zu einer Politik des wirtschaftlichen Wiederaufbaus und der politischen Eindämmung (containment) der kommunistischen Ausbreitung in Europa und Asien durchrangen.Containment und NSC-68Das Konzept des containment stammte von dem Diplomaten George F. Kennan, der es in seinem »langen Telegramm« aus Moskau vom Februar 1946 formuliert und unter dem Pseudonym »X« im Sommer 1947 in der Zeitschrift »Foreign Affairs« noch einmal ausführlich begründet hatte. Kennan beschrieb die Sowjetunion als einen von totalitärer Ideologie und paranoiden Unsicherheitsgefühlen zu grenzenloser Expansion vorangetriebenen Staat. Um diesen Expansionsdrang »einzudämmen«, sei es nötig, den Sowjets überall dort, wo sie die Interessen des Westens verletzten, mit Entschlossenheit zu begegnen. Kennan behauptete, dass politischer Druck und die Demonstration von Stärke den Erfolg des containment gewährleisten und militärische Maßnahmen überflüssig machen würden. Das waren die geistigen Beweggründe hinter der Trumandoktrin, dem Marshallplan und dem Aufbau eines globalen Bündnissystems — allesamt kühne und innovative Entscheidungen, durch die sich Truman den Ruf eines großen Gestalters der Nachkriegswelt erwarb. Eine zusätzliche Dimension erhielt das containment im Jahr 1950 durch das Memorandum NSC-68 und die Intervention in Korea, die — entgegen Kennans ursprünglicher Absicht — die Rolle des Militärs und der Rüstung in den Vordergrund stellten. Die Autoren von NSC-68 beriefen sich auf die grundlegenden Prinzipien der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, die unvereinbar seien mit kommunistischer Herrschaft und Unterdrückung. Ein Präventivkrieg gegen die Sowjetunion komme aus moralischen Gründen zwar nicht infrage, aber die USA könnten das sowjetische System so sehr unter Druck setzen, dass es sich von innen heraus wandle. Zu diesem Zweck müssten sie von der passiven zur aktiven Eindämmung übergehen, die eine deutliche militärische Überlegenheit voraussetze. Gleichzeitig gelte es, die Bündnisse zu stärken und das Abdriften potenzieller Partner — zum Beispiel Westdeutschlands — in die Neutralität zu verhindern.Die Vision der »einen Welt«, die aus amerikanischer Sicht die besten Bedingungen für die Entfaltung von politischer Freiheit und wirtschaftlichem Wohlstand bot, sollte nun, nachdem sich die Vereinten Nationen als ungeeignet erwiesen hatten, durch eine »Weltführerschaft« der USA verwirklicht werden. Pragmatische Kosten-Nutzen-Erwägungen gingen dabei eine untrennbare Verbindung mit dem idealistischen Glauben an höhere Werte — Demokratie, Freiheit, Menschenrechte — und einen weltgeschichtlichen Auftrag der USA ein. Dem puritanischen Erbe entstammte auch die Stilisierung der Auseinandersetzung mit dem Kommunismus zu einem apokalyptischen Kampf zwischen »Gut« und »Böse«. Andererseits deuteten die Verfasser mit ihrer Empfehlung, Verhandlungsspielräume auszuloten, auch schon die Pendelschwünge zwischen Konfrontation und Entspannung an, die den außenpolitischen Kurs gegenüber der Sowjetunion in den folgenden Jahrzehnten kennzeichnen sollten. Der Hauptzweck von NSC-68 bestand aber darin, die amerikanische Führung von der Notwendigkeit einer drastischen Aufrüstung zu überzeugen.Die besonnene Präsidentschaft EisenhowersIm Wahlkampf von 1952, zu dem Truman nicht mehr antrat, profilierten sich die siegreichen Republikaner mit der Forderung, Amerika noch stärker zu machen und den kommunistischen Einfluss in der Welt nicht nur aufzuhalten, sondern zurückzudrängen (roll back). Im Wesentlichen wahrten der neue Präsident Eisenhower und sein Außenminister John F. Dulles dabei die außenpolitische Kontinuität und setzten den Ausbau des amerikanischen Bündnissystems fort. Höchste Priorität hatte dabei die Festigung der NATO unter Einschluss der Bundesrepublik, der nach dem Scheitern des EVG-Projekts 1955 erfolgte. Die Entscheidung für die Wiederbewaffnung wurde trotz sowjetischer Warnungen und Angebote sowie gegen erhebliche Widerstände in der deutschen Bevölkerung durchgesetzt. Für Washington war Bonn ein unerlässlicher Partner bei der Umsetzung der Eindämmungspolitik in Europa. Durch die Mitgliedschaft in der NATO wurde die Bundesrepublik aber selbst an die Leine des Westens genommen. Dulles unterstützte auch nachdrücklich die Bemühungen von Bundeskanzler Adenauer um die europäische Einigung, die 1957/58 mit dem Abschluss der Römischen Verträge einen wesentlichen Schritt vorankam.Stärker als Truman setzten Eisenhower und Dulles auf die nukleare Überlegenheit der USA, weil sie darin einen Weg sahen, die hohen Kosten der konventionellen Rüstung zu reduzieren. Die Sowjetunion ließ sich jedoch von der angedrohten massiven Vergeltung (massive retaliation) mit Nuklearwaffen keineswegs einschüchtern, sondern steigerte ihrerseits die Rüstungsanstrengungen. Als es der Sowjetunion am 5. Oktober 1957 gelang, erstmals einen Satelliten auf eine Erdumlaufbahn zu bringen, setzte der Sputnikschock dem Glauben an den technologischen Vorsprung der USA ein Ende, und bald war nicht nur von einem nuklearen Patt, sondern sogar von einer »Raketenlücke« zum Nachteil der USA die Rede. Die Luftaufklärung mit Spionageflugzeugen vom Typ U2 widerlegte zwar solche Unkenrufe, aber diese Erkenntnis musste geheim gehalten werden. Trotz der öffentlichen Beunruhigung hielt die Regierung Eisenhower die jährlichen Rüstungsausgaben unter 50 Milliarden Dollar und beantwortete die neue sowjetische Herausforderung lediglich mit der Gründung der NASA-Raumfahrtbehörde und einem nationalen Programm zur Wissenschaftsförderung.Unter diesen Umständen war an eine Verwirklichung der von Dulles propagierten Doktrin des roll back kaum zu denken. Als sich durch die Volksaufstände in der DDR 1953 und Ungarn 1956 Gelegenheiten zum Eingreifen boten, übte die amerikanische Regierung Zurückhaltung und beschränkte sich darauf, die Ereignisse propagandistisch auszunutzen. Im Fall Ungarns engten auch die gleichzeitige Suezkrise, die der gemeinsame Angriff Großbritanniens, Frankreichs und Israels gegen Ägypten hervorrief, und die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen Eisenhowers Handlungsspielraum zusätzlich ein. Während Amerikaner und Russen in der UNO gemeinsam Front gegen die europäischen Kolonialmächte machten, konnten sowjetische Truppen in Ungarn unbehelligt die kommunistische Ordnung wiederherstellen. Auf die Europäer wirkte das desillusionierend, aber es half Eisenhower, als Friedenspräsident sicher im Amt bestätigt zu werden.In den Fünfzigerjahren strahlte der Ost-West-Konflikt auf andere Regionen der Erde aus, die man bald unter dem Begriff der Dritten Welt zusammenfassen sollte. Nach den leidvollen Erfahrungen des Koreakriegs zogen es die USA vor, militärische Interventionen zu vermeiden und ihre Ziele möglichst auf diplomatischem Wege und notfalls durch subversive Operationen zu erreichen. Das Erdölmotiv spielte eine entscheidende Rolle, als der amerikanische Geheimdienst CIA unter Leitung von AllenW. Dulles, dem Bruder des Außenministers, 1953 zum Sturz des iranischen Ministerpräsidenten Mohammed Mossadegh beitrug, der die westlichen Ölgesellschaften verstaatlicht hatte. Zum Hauptgegner der USA in diesem Raum avancierte nach 1956 der ägyptische Staatspräsident Gamal Abd el-Nasser, dessen Zusammenarbeit mit der Sowjetunion die Strategie der Eindämmung im Gebiet von Nordafrika bis zum Persischen Golf zu unterlaufen drohte. Gegen diese Gefahr richtete sich die Eisenhowerdoktrin vom Januar 1957, die die Unabhängigkeit und Integrität aller Staaten des Nahen und Mittleren Ostens als »lebenswichtig für die nationalen Interessen und den Weltfrieden« erklärte. Nach dem Staatsstreich nationalistisch-republikanischer Kräfte in Irak 1958 bot die Doktrin eine Handhabe für die kurzfristige Landung amerikanischer Marinesoldaten im Libanon, die das größte militärische Abenteuer unter Eisenhowers Präsidentschaft blieb. Von diesem Zeitpunkt an floss der Löwenanteil der amerikanischen Auslandshilfe in diese Region, die für die Ölversorgung des Westens lebenswichtig, deren politische Atmosphäre aber durch den Konflikt zwischen den arabischen Staaten und Israel explosiv aufgeladen war.Andere Unruheherde bildeten Indochina, wo nach der französischen Niederlage in Dien Bien Phu am 7. Mai 1954 eine Pufferzone am 17. Breitengrad zwischen der kommunistischen Demokratischen Republik Vietnam im Norden und der von den USA gestützten Republik Vietnam im Süden gebildet wurde, und Lateinamerika, wo die CIA die Machtübernahme »linker« Regierungen zu verhindern suchte. Eisenhower und die beiden Dulles-Brüder betrachteten Fidel Castros kubanische Revolution von 1959 als Symptom einer allgemeinen Tendenz in den Ländern der Dritten Welt, sich dem Führungsanspruch der USA und der Logik der Weltwirtschaft zu entziehen. In diesem Licht sahen sie auch die Bewegung der blockfreien Staaten, die sich unter Führung Indiens, Indonesiens und Jugoslawiens formierte. Ihren »Neutralismus« empfanden sie als Begünstigung der Sowjetunion, und ihren staatswirtschaftlichen Experimenten begegneten sie mit großem Misstrauen. Als Politiker handelte der Kriegsheld Eisenhower, der die Regierung unauffällig, aber straff lenkte, durchaus verantwortungsbewusst und keineswegs als Haudegen. Intern warnte er sogar vor den schädlichen Folgen, die das Entstehen eines militärisch-industriellen Komplexes für die amerikanische Demokratie haben könne. Versuche, mit der sowjetischen Führung ins Gespräch zu kommen, blieben aber erfolglos. Gegen Ende des Jahrzehnts hatte sich in der amerikanischen Führung und im Volk ein Denken verfestigt, das die gesamte Welt in ein Freund-Feind-Schema einteilte.Außenpolitik in der Ära KennedyMit der Wahl des 43-jährigen John F. Kennedy im November 1960 vollzog sich ein Generationswechsel und es kehrte ein anderer Stil ins Weiße Haus ein. Kennedys Parole vom »Aufbruch zu neuen Grenzen« (New Frontier) weckte besonders bei den jüngeren Amerikanern die Hoffnung, dass die innen- und außenpolitische Stagnation überwunden werden könnte. Der Präsident, der sich mit dynamischen, intellektuellen Beratern umgab, ging voller Elan an die Arbeit. Schon bald geriet die unerfahrene Kennedy-Mannschaft aber gegenüber dem aggressiv auftretenden sowjetischen Staats- und Parteichef Chruschtschow in die Defensive und war zu permanentem Krisenmanagement gezwungen. Die Amtszeit Kennedys begann mit einem Paukenschlag, als die von der CIA noch unter Eisenhower geplante Landung von 1400 Exilkubanern im April 1961 in der Schweinebucht auf Kuba kläglich scheiterte. Die subversiven Operationen gegen Kuba gingen aber weiter und veranlassten Castro, sich immer enger an die Sowjetunion anzulehnen. Nach dem ergebnislosen Wiener Gipfeltreffen vom Juni 1961 rückte das geteilte Berlin wieder ins Zentrum des Kalten Kriegs. Die Regierung Kennedy wurde vom Bau der Mauer im August überrascht, nahm diese Aktion aber hin, weil sie die essenziellen Interessen des Westens, insbesondere den freien Zugang nach Westberlin und die Überlebensfähigkeit der Stadt, nicht ernsthaft gefährdet sah. In Deutschland machte sich Ernüchterung breit, denn der Traum vom roll back war endgültig geplatzt und die Teilung der Nation schien dauerhaft zementiert zu sein. Nahe an den Rand eines atomaren Kriegs führte die Kubakrise im Oktober 1962, die durch die Stationierung sowjetischer Mittelstreckenraketen auf der Insel ausgelöst wurde. Im Weißen Haus wurden eine Bombardierung oder sogar eine Invasion Kubas erwogen, aber Kennedy entschloss sich zu der weniger riskanten Seeblockade, die Chruschtschow tatsächlich zum Abzug der Raketen veranlasste. Der Präsident war sich der Gefahren bewusst, die von dem ungeheuren Vernichtungspotenzial ausgingen, über das die Supermächte inzwischen verfügten. Deshalb befürwortete er einen Stopp von oberirdischen Atombombenversuchen und gemeinsame Schritte zur Rüstungskontrolle. Auch die Änderung der unglaubwürdigen NATO-Strategie der massiven Vergeltung in Richtung einer flexiblen Erwiderung (flexible response) sollte dazu beitragen, im Konfliktfall den Handlungsspielraum zu erweitern und das Risiko eines nuklearen Schlagabtauschs auf ein Minimum zu reduzieren. Für den Fall eines sowjetischen Angriffs arbeiteten die NATO-Strategen bis 1967 ein ausgeklügeltes Konzept abgestufter Gegenmaßnahmen aus, demzufolge die Atomwaffen in erster Linie der Abschreckung dienten und die konventionellen Streitkräfte die Aufgabe erhielten, ihre Maßnahmen jeweils an den Aktionen des Gegners auszurichten. Das Streben nach alleiniger Kontrolle der Atomwaffen brachte Kennedy in Konflikt mit dem französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle, dem ein »Europa der Vaterländer« vorschwebte, das sich — unter Führung der Atommacht Frankreich — als eigenständige Kraft zwischen Ost und West etablieren sollte. Letzten Endes zogen die meisten Europäer aber das Leben unter dem »atomaren Schutzschild« der USA dem vagen Projekt de Gaulles vor.Verlagerung des Ost-West-Konflikts in die Dritte WeltWährend sich die Lage in Europa auf der Basis des »Gleichgewichts des Schreckens« stabilisierte, griff der Ost-West-Konflikt mehr und mehr auf die Dritte Welt über, die in den Sechzigerjahren von einer Welle der Entkolonialisierung erfasst wurde. Den Bürgerkrieg im Kongo konnten die USA noch mithilfe der UNO beenden, aber danach geriet die Weltorganisation immer stärker unter den Einfluss antiwestlicher Kräfte. Deshalb entschied Kennedy, dass die USA den »Vormarsch des Kommunismus« in Asien und Afrika in eigener Regie bremsen müssten. Zum Testfall wurde Süd-Vietnam, von dessen Fall man einen Dominoeffekt in ganz Südostasien befürchtete. Kennedy glaubte den Kampf gegen die von Moskau, Peking und Hanoi unterstützte Guerillabewegung der Vietcong gewinnen zu können, indem die USA ihrerseits Erhebungen unterhalb der Schwelle zum Krieg unterstützte. Durch Wirtschafts- und Militärhilfe an Süd-Vietnam und durch die Entsendung von Militärberatern verstrickte er die USA aber immer tiefer in den Konflikt. Allein aus innenpolitischen Gründen wäre es jedoch kaum möglich gewesen, als »weich gegenüber dem Kommunismus« zu erscheinen.Die globale Gleichgewichtspolitik der USA 1963—85In den Amtszeiten der Präsidenten Lyndon B. Johnson und Richard M. Nixon stand die amerikanische Außenpolitik ganz im Zeichen des Vietnamkriegs. Nur die beiden Nahostkriege von 1967 und 1973, in denen die USA den Staat Israel und die Sowjetunion dessen arabische Gegner unterstützte, fanden ähnliche Aufmerksamkeit. Johnson wollte eigentlich innenpolitische Prioritäten setzen und sein Reformprogramm mit dem Ziel einer modernen, gerechten, harmonischen Gesellschaft (Great Society) vollenden, aber nach dem Tongking-Zwischenfall im Sommer 1964, bei dem Nord-Vietnam und die USA sich gegenseitig des Angriffs auf Schiffe beschuldigten, investierte er sein politisches Kapital und die Ressourcen der USA hauptsächlich in den Vietnamkrieg. Nachdem Johnson nach der Tet-Offensive des Vietcong Ende Januar 1968 erkannt hatte, dass der Krieg nicht zu gewinnen war, verzichtete er im März angesichts der Protestbewegung in den USA auf eine erneute Präsidentschaftskandidatur. Sein republikanischer Nachfolger Nixon proklamierte das Ziel eines »ehrenhaften Friedens«, den er durch Bombenangriffe auf Nord-Vietnam und eine Invasion Kambodschas zur Unterbindung der Nachschubwege der Vietcong zu erreichen hoffte. Der strategische Grund für den Krieg — die Eindämmung Chinas und der Sowjetunion — war im Grunde bereits entfallen, da sich die beiden Länder inzwischen politisch entzweit hatten und China durch die Kulturrevolution zusätzlich geschwächt war. Nach dem Waffenstillstand von 1973 trat deshalb der Aufbau einer neuen globalen Mächtekonstellation in den Vordergrund, die Nixon und sein Außenminister Henry A. Kissinger anstrebten. Sie wollten die amerikanische Außenpolitik von ihrem idealistischen Ballast befreien und ganz auf das Konzept einer realistischen, ideologiefreien Gleichgewichtspolitik ausrichten, um die internationalen Beziehungen zu stabilisieren und den Frieden zu erhalten. Der Ausgleich mit China, den Kissinger und Nixon 1971/72 erreichten, erlaubte es ihnen, die Sowjetunion durch das Ausspielen der chinesischen Karte in Schach zu halten. Die Nixondoktrin von 1969 besagte zudem, dass die USA in Zukunft ihre Lasten mit den Verbündeten teilen und nur noch in Ausnahmefällen militärisch intervenieren würden. Auf dieser Grundlage betrieb Kissinger über Nixons Rücktritt hinaus eine Politik der Entspannung (Détente) mit Moskau, die bei der strategischen Raketenrüstung (SALTI), in Europa (KSZE) und im Nahen Osten zu konkreten Abmachungen führte.Carter und das Ende der EntspannungDurch den endgültigen Zusammenbruch Süd-Vietnams 1975, die Massaker der Roten Khmer in Kambodscha und weitere Erfolge des Kommunismus in der Dritten Welt geriet dieser nüchtern-pragmatische Kurs aber ins Zwielicht. Viele Amerikaner gewannen den Eindruck, die Sowjetunion heimse in Europa die Früchte der Détente ein, während sie weiter aufrüste und im Rest der Welt — so etwa in Afrika mit kubanischer Hilfe — gegen die Interessen der USA agiere. In der UNO konnten die USA bei Abstimmungen häufig nur noch auf Israel, Südafrika und wenige andere getreue Staaten zählen. Präsident James E. Carter, der 1977 den glücklosen Nixon-Nachfolger Gerald R. Ford ablöste, trat mit der Absicht an, die Entspannungspolitik fortzuführen und weitere Rüstungskontrollverträge zu schließen. Außerdem legte er einen starken Akzent auf die Menschenrechtsfrage, um die durch das Vietnamdebakel angeschlagene moralische Autorität der USA zu erneuern. Das Friedensabkommen von Camp David zwischen Israel und Ägypten 1978 sowie die Unterzeichnung des ergänzenden SALT-II-Vertrags zur Rüstungsbeschränkung im Juni 1979 in Wien erwiesen sich allerdings als die letzten Akte der Entspannungsära. Danach verschlechterte sich das internationale Klima rapide durch die islamische Revolution in Iran und die darauf folgende Geiselnahme in der amerikanischen Botschaft in Teheran sowie durch den Einmarsch sowjetischer Truppen in Afghanistan im Dezember 1979. Eine Gefährdung der strategisch wichtigen Golfregion konnten und wollten die USA aber nicht zulassen. Ihre Reaktion erfolgte rasch und entschlossen, weil der Sicherheitsberater des Präsidenten, Zbigniew Brzezinski, der gegenüber der Sowjetunion wieder eine härtere, die militärische Macht bevorzugende Linie vertrat, unter dem Eindruck der oppositionellen Gewerkschaftsbewegung Solidarnośćin Polen bereits einen politischen Kurswechsel angebahnt hatte. Nun stoppte Carter die Ratifizierung von SALTII durch den Senat und setzte die geheime Direktive PD 59 in Kraft, der zufolge die USA zur Führung eines erfolgreichen Atomkriegs fähig sein mussten. Wirtschaftliche und kulturelle Boykottmaßnahmen gegen Moskau untermauerte er mit der Erklärung, die USA würden militärisch eingreifen, falls eine ausländische Macht versuchen sollte, die Ölausfuhr vom Persischen Golf abzuschneiden. Diese Carterdoktrin führte umgehend zur Aufstellung einer Spezialeinheit, die für den Wüstenkrieg trainiert wurde. Um den Sowjets in Afghanistan ein eigenes »Vietnam« zu bereiten, lieferte die CIA über Pakistan moderne Waffen an die aufständischen Afghanen.Die letzte Wende des Kalten Kriegs unter Ronald ReaganDieser drastische Kurswechsel kam aber zu spät, um Carters Popularitätskurve rechtzeitig bis zu den Wahlen wieder steigen zu lassen. Eine gescheiterte Militäraktion zur Geiselbefreiung in Iran besiegelte das politische Schicksal des Präsidenten, der im November 1980 dem konservativen Republikaner Ronald W. Reagan deutlich unterlag. Reagan war es dann auch, der die Freilassung der amerikanischen Diplomaten im Januar 1981 erreichte. Anschließend kehrten die USA — auf der von Brzezinski vorgezeichneten Linie — zu einer Politik des aktiven containment gegenüber der Sowjetunion zurück. Darüber hinaus nahmen sie nun jede Gelegenheit wahr, im Sinne des roll back den kommunistischen Einfluss in der Dritten Welt zu bekämpfen. Während sich die internationale Position der USA zusehends festigte und das Vietnamtrauma der Bevölkerung einem neuen Patriotismus wich, setzte aufseiten der Sowjetunion und ihrer Verbündeten ein immer rascher fortschreitender Machtverfall ein. Reagans scharfe Rhetorik — in einer Rede vor fundamentalistischen Christen bezeichnete er Moskau als das Zentrum des »Reichs des Bösen« — verlieh dem Kalten Krieg einen dramatischen, unversöhnlich erscheinenden Charakter. Um den Worten Taten folgen zu lassen, setzte Reagan im Kongress ein gewaltiges Aufrüstungsprogramm durch, das den Rüstungsetat um über 40 Prozent auf etwa 300 Milliarden Dollar pro Jahr anschwellen ließ. Ungerührt von allen Protesten der Friedensbewegungen im eigenen Land und in Westeuropa verwirklichte die Administration den NATO-Doppelbeschluss vom Dezember 1979 und stationierte ab 1983 Mittelstreckenraketen vom Typ Pershing II und Marschflugkörper auf europäischem Boden. Weltweite Besorgnis erregte auch Reagans Ankündigung der Strategischen Verteidigungsinitiative SDI im März 1983, die ein weltraumgestütztes Raketenabwehrsystem vorsah, mit dem die USA einen atomaren Erstschlag verhindern zu können glaubten. Als die amerikanische Regierung Ende 1983 den Abschuss eines koreanischen Passagierflugzeugs, das sich in den sowjetischen Luftraum verirrt hatte, mit neuen Strafmaßnahmen gegen Moskau ahndete und als die kommunistischen Staaten im Gegenzug die Olympischen Spiele 1984 in Los Angeles boykottierten, schien der Kalte Krieg wieder die eisige Temperatur der Kubakrise von 1962 erreicht zu haben. Umso überraschter waren die Amerikaner und die Weltöffentlichkeit von der spektakulären Annäherung, die sich nach der Wiederwahl Reagans ab 1985 zwischen Washington und Moskau vollzog und die den Kalten Krieg binnen kurzem zu einer abgeschlossenen historischen Epoche machte. Über die Gründe für diesen Umschwung wird bis heute gestritten. Vieles deutet darauf hin, dass die Ursachen für den Kollaps der Sowjetunion und die Selbstbehauptung der USA weniger in politisch-strategischen Konzepten als in der inneren Stärke des amerikanischen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems zu suchen sind. Man wird aber zugestehen müssen, dass die Außenpolitik der USA von Truman bis Bush über mehr als vierzig Jahre hinweg trotz aller Schwankungen und Rückschläge im Wesentlichen den mit NSC-68 eingeschlagenen Kurs gehalten hat.Prof. Dr. Jürgen HeidekingGrundlegende Informationen finden Sie unter:Ost-West-Konflikt: Weltpolitische Vorstellungen der Siegermächte nach 1945Foreign relations of the United States. Diplomatic papers, Band 1946, Teil 6: Eastern Europe. The Soviet Union. Washington, D. C., 1969.Fursenko, Aleksandr / Naftali, Timothy: »One hell of a gamble« Krushchev, Castro, Kennedy and the Cuban missile crisis 1958-1964. Neuausgabe London 1999.Kennan, George F.: Amerikas Außenpolitik 1900 bis 1950 und ihre Stellung zur Sowjet-Macht. Aus dem Englischen von Ernst Doblhofer. Zürich u. a. 1952.Public papers of the presidents of the United States. Dwight D. EisenhowerBand 5: January 1 to December 31, 1957. Washington, D. C., 1958.
Universal-Lexikon. 2012.